Typefaces

ITC Motter Corpus
von Othmar Motter

regular / condensed

PAGE, 09/1994

Straffer Körper

Mit seiner ITC Motter Corpus schloß Othmar Motter eine Lücke im Schriftenmarkt. Er schuf eine Type, die Prägnanz und Stärke einer serifenlosen Extra-Bold mit der besseren Lesbarkeit von Antiqua-Lettern verbindet. Für PAGE beschreibt der Österreicher die Anatomie seines neuen Schriftdesigns.

Aus der Überlegung heraus, dass es heute zwar Hunderte von guten Schriften, allerdings nur wenige
ästhetisch befriedigende und anwendungsfreundliche Extra-Bold-Designs gibt, entwickelte ich die ITC Motter Corpus. Serifenlose Typen sind im allgemeinen die prägnantesten Display-Schriften, bringen aber zwei Designprobleme mit sich:
– erstens lassen sie sich nicht so leicht lesen wie Formen mit Serifen und
– zweitens vertragen sie sich nicht gut mit Serifenlosen außerhalb ihrer eigenen Schriftfamilie.
Die Extra-Bold-Schnitte der meisten Serifenfonts hingegen sind zwar lesefreundlicher, sie reißen aber bei engem Satz empfindliche Lücken und weisen nur selten ein ausgewogenes Schriftbild auf.

Ich entschloß mich, diese Situation zu verbessern, und setzte mir das Ziel, eine Schrift zu entwickeln, die Prägnanz und Stärke einer serifenlosen Extra-Bold mit der besseren Lesbarkeit von Antiqua-Lettern verbindet – eine universal anwendbare Auszeichnungsschrift, die sich bei Serifenlosen sowie Typen mit Serifen gleichermaßen zu Hause fühlt. Als Werkzeuge dienten mir Zeichenstift, Feder und Pinsel, die Umsetzung für Computer überließ ich Fachleuten bei URW in Hamburg. Sigrid Engelmann gelang es, dieses schwierige Design mit hohem künstlerischem Einfühlungsvermögen und sicherem Formgefühl digital umzusetzen.

Den Formcharakter des Designs konzipierte ich so, dass man die – bei einer extrafetten Schrift unverzichtbaren – optischen Korrekturen nicht als störende Kompromisse, sondern, im Gegenteil, als notwendige Wirkungsfaktoren für den ästhetischen Ausdruck der Schrift empfindet. Ein Ausdruck, der so konsequent durchgehalten wird, dass sich die Eigenart des Schriftdesigns an jedem einzelnen Buchstaben und Zeichen sofort erkennen lässt.

Ihre Stärke und Lebendigkeit bezieht die Motter Corpus nicht zuletzt aus der Tatsache, dass sie keine einzige mit dem Zirkel konstruierte Kurve enthält. Alle Kurven sind dynamisch ausgeformt und von beachtlicher Durchzugskraft.
Die gute Lesbarkeit und das ausgewogene Schriftbild verdankt die ITC Motter Corpus folgenden Gestaltungsmaßnahmen: Die Innenräume der Zeichen sind zwar eng, aber offen gehalten, Außerdem gibt es weder spitze noch schleifende Formen und Einschnitte, die bei den kleinen Schriftgraden zuschmieren oder optisch zugehen. Insbesondere achtete ich darauf, den Grauwert sämtlicher Buchstaben, Ziffern und Zeichen einheitlich zu gestalten und störende Weiß- und Schwarzanhäufungen zu vermeiden.

Die Serifen sind Ovale mit schrägen Mittelachsen. Dadurch bleiben sie trotz ihrer Kürze bis in die kleinsten Grade deutlich erkennbar. Die freistehenden waagrechten Balken habe ich in den meisten Fällen schräg angeschnitten, sodass sie sich lückenlos an die Serifen der senkrechten Balken anschließen lassen. Alle Balkenenden besitzen eine konkave Ausformung, deshalb weist die ITC Motter Corpus trotz ihrer runden Formen ein straffes Schriftbild auf.

Für die konischen Buchstaben, A, V, W, X, Y und Z wählte ich eine konvexe Ausbildung der schrägen Balken. Dadurch behalten sie offene Innenräume und können dichter an die anderen Buchstaben heranrücken.
Die Ober- und Unterlängen hielt ich so kurz, wie es nur eine extrafette Type ermöglicht. Die daraus resultierende ungewöhnlich große Mittellänge läßt die Schrift größer erscheinen als es ihrem eigentlichen Grad, in Punkt gemessen, entspricht.

Zudem erlaubt die optische Geschlossenheit der Zeilen beim Textsatz sehr enge Zeilenabstände. So kann der Gestalter die ITC Motter Corpus raumsparend einsetzen.
Die Kurven der Buchstaben, die auf dem O basieren, formte ich oben und unten runder aus als
an den leicht abgeflachten Seiten. Auf diese Weise bleibt der Kontrast zu den geraden Buchstaben erhalten, und dennoch lassen sie sich lückenlos an die geraden und konkaven Lettern anschließen.

Ursprünglich hatte ich die ITC Motter Corpus als Headline- und Display-Schrift konzipiert. Aber schon während der Produktion zeigte sich, dass sie bis in die kleinen Schriftgrößen
überraschend lesbar bleibt und mit bemerkenswerter Konsequenz spatiiert – sogar dann, wenn man sie nur in Versalien setzt.

Diese hervorragende Gebrauchseigenschaften öffnen der ITC Motter Corpus ein weites, ja nahezu unbegrenztes Feld praktischer Anwendungsbereiche. Ob bei der Hervorhebung von Textstellen, für Headlines in Zeitungen und Zeitschriften, ob auf Buchtiteln, Prospekten und Postern, bei Corporate Designs und Logotypen, ob in der normalen oder in der Condensed-Version: stets behält die ITC Motter Corpus ihre unverwechselbare Eigenart.
Nebenbei bemerkt ist es kein Zufall, sondern gestalterische Absicht, dass die Kurven der Lettern ein wenig an organische, straffe Körperformen erinnern. So werden unterschwellig die Sinne der Leserin und des Lesers angesprochen. Dieser Eindruck verstärkt sich noch durch den Namen Corpus.
Die vergrößerten Detailabbildungen verdeutlichen die Qualitätsmerkmale, die für dieses neue Schriftdesign charakteristisch sind.

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